Stimmen über Hans Schweikart

Jürgen Flimm
„Glück, sagt man, habe der Tüchtige, aber andere la-
chen, mancher habe mehr Dusel als Verstand gehabt. Ich hatte Glück und Dusel gleichermaßen und kann mich bei der guten Fortuna nicht beschweren. Mit stei-
gendem Alter hat sich die launische Göttin allerdings zunehmend skeptisch und zugeknöpft gezeigt. Aber man kann nicht immerzu alles haben, vielleicht habe ich die Dame in meinen frühen Jahren ein wenig überfordert.
Einer dieser Glücksfälle war die Begegnung mit dem ehrwürdigen Regisseur Hans Schweikart, der meinem Leben hie und da eine überraschende Wendung gab."
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(Flimm, Jürgen: Theatergänger. Begegnungen und Stationen, Göttingen 2004. Mit freundlicher Genehmigung des Autoren.)

Wolfgang Petzet
„Das Regieren führte er auf seine besondere, zu seinem Inszenierungsstil passende Art, wie man dies auch bei seinen Vorgängern bemerken konnte. Während das Ergebnis sehr ernst zu nehmen war, schien er es selbst nicht sonderlich ernst zu nehmen. Bei Besprechungen entschwand er nicht in ein schimmerndes Gewölk wie Falckenberg, war nicht unnahbar durch Klarheit wie Engel, sondern schlug gerne Haken und war plötzlich weg. Wie ein Hexenmeister mit der Tarnkappe. Er liebte die koboldhaften Späße, und wenn alles voller Sorge um die Abendvorstellung war, weil sich die Hauptdarstellerin mittags krank gemeldet, schien er mit seinen Gedanken völlig fern dieser Misere, machte plötzlich einen ganz unmöglichen Ersatzvorschlag und freute sich unbändig, wenn ihn alle ernst nahmen und dagegen Einwände erhoben. Schließlich warf er dann beiläufig auch den rechten, die Lage treffenden Einfall auf den Tisch.“
(Wolfgang Petzet: Theater - Die Münchner Kammerspiele 1911-1972. München 1973)

Rolf Boysen
„...Und dann kam ich ja bald nach München. Dort war Hans Schweikart, ein großer Mann, den darf man nicht vergessen. Aber ich war nicht sein Gewächs. Er war lange sehr mißtrauisch mir gegenüber, ob er da über-
haupt den richtigen Mann engagiert hatte, das ging eine ganze Zeit. Er mochte meine Stimme nicht, hat aber dann doch mit mir gearbeitet. Irgendwann allerdings gab’s dann mal eine Rolle, mit der sich seine Haltung mir gegenüber änderte. Und zwar war das in den „Dämonen“ von Camus, einer Bearbeitung des Romans von Dostojewskij. Schweikart war einer der großen Realisten, und er haute immer dann daneben, wenn er Klassiker machte. Die waren eigentlich nicht gut anzusehen, das war alles nicht erfreulich, aber er hatte ein Gefühl für die amerikanischen Realisten, für Tennesse Williams, für Eugene O’Neill, für Arthur Miller. Und er hatte ein wunderbares Ensemble mit Erni Wilhelmi, Maria Nicklisch, Therese Giehse, Domin, Lühr, und zusammen mit denen puzzelte er die kleinen Szenen zusammen – ganz leise und wunderbar...“
(Rolf Boysen: Nachdenken über Theater. Essays, Gespräche. Hg. v. Michael Schäfermeyer. Frankfurt a.M. 1997)

Peter Lühr
„Ich habe ihm letzten Endes sehr viel zu verdanken.
Die ganze Beziehung war eine durchaus problematische durch die ganze Zeit. Ich habe nie genau gewußt, ob er mit mir etwas anzufangen wußte, ob er mich schätzte oder nicht. Das gilt nicht generell, das gilt von Fall zu Fall. Schweikart war eine hochintelligente, sehr schil-
lernde Persönlichkeit, seine schönsten Arbeiten waren moderne Stücke, sogar auch schwache moderne Stücke und Kriminalkomödien: „Polizeirevier 21“ zum Beispiel war eine grandiose Aufführung.“
(Peter Lühr: ein Portrait. Hg. v. Christia Haberlik. Weinheim/Berlin 1989)

Marcel Marceau an Hans Schweikart
„Als ich 1953 zum ersten Mal in den Kammerspielen auftrat, wußte ich, daß ich gerne und leidenschaftlich zurückkommen werde. Es war als ob ich eine neues Heim und Haus gefunden hätte. Und ich verstand, daß ich es hauptsächlich Ihnen zu verdanken habe. Sie haben eine tiefes und unvergeßliches Bündnis zwischen Schauspieler und Publikum geschlossen. Sie sind uns sehr nahe und Ihr Herz versteht uns – Sagten Sie nicht, daß die „PANTOMIME“ wie eine Heilpflanze wirkt, in einer Zeit voller Lärm und Geschwindigkeit ? Und weiß Gott, wie dankbar wir Ihnen sind, es so zu fühlen. (...)Lieber, sehr verehrter Herr Intendant Schweikart, ich danke den Menschen und der Zeit, die uns erlaubt haben Sie persönlich als Mensch kennen zu lernen. Denn wir Gaukler wissen, was das Theater Ihnen zu verdanken hat. Denn Sie bleiben für uns einer seiner größten und wahrsten Diener.“
(Auszug aus einem Brief v. 15.9.1960)

August Everding
„Schweikart ließ sich das Stück vorspielen, jeder dachte er kennt das Stück gar nicht, dann ging er nach oben, griff ein und ordnete, formte, und auf einmal merkte man, der kannte das Stück ganz genau. Aber er kannte es nicht nur als Analytiker, sondern auch als Poet. Er hatte einen poetischen Realismus, der mich tief beein-
druckte. Er hatte etwas Großstädtisches, was mich aus dem Ruhrgebiet Kommenden sehr ansprach. Ich habe immer zu ihm gesagt: „Herr Schweikart, Sie müssen zur Oper in die Premiere gehen, Sie müssen einen Smoking anziehen." Dann hat er gesagt: „Du hast noch Tanzstun-
denallüren. Du weißt gar nicht, wie egal mir das ist. Oper ist überhaupt schlecht." Er war trotzdem ein Grandseigneur."
(Die ganze Welt ist Bühne: August Everding. Hg. v. Klaus Jürgen Seidel. München 1988)

Effi Horn
„Schweikarts Inszenierungen hatten in ihrer Qualität oft etwas so Selbstverständliches und damit Un-Auffälliges, daß übersehen werden konnte, wieviel sensible Welt-
erfahrung, Theaterkunst und handwerkliche Ethik in sie investiert worden waren. Er brachte seinen Humor, seinen Charme, seine Humanität auch in leichtgewich-
tige Stücke ein, konnte auch „Blech versilbern“, wie Max Christian Feiler das einmal nannte.“
(Münchner Merkur, 2.12.75)

Joachim Kaiser
„Schweikart hat das deutsche Nachkriegstheater mitge-
prägt, weil er eine Idee zu beschwören suchte: die Idee des einsichtigen, des sich selbst zart erhellenden, des unverlogenen und unprätentiösen Theaters. Er war der Antipode aller falschen Zauberer, gerade weil seine Bühnenwirklichkeit manchmal mit wahrem, wahrhafti-
gem Zauber überwältigte, ohne zu überrennen. In der Geschichte deutschen Schauspiels bedeutete Schwei-
kart aber noch etwas anderes, Wichtigeres. Vielleicht war er der letzte, in dessen Leben und Kunst die Fähig-
keit, brillant zu unterhalten, und die Forderung, sich den Anspruch der Kunstwahrheit durch nichts abkaufen zu lassen (durch keinen Effekthunger, durch kein kommer-
zielles Kleinbeigeben) noch verbunden schienen.“
(Süddeutsche Zeitung v. 2.12.1975)


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